Mehr Strom!
Jeder Betreiber einer Photovoltaik-Anlage, der ein kleines bisschen mehr als nur die reine Ökonomie im Kopf hat, steht sehr schnell vor der Situation, “mehr” zu wollen.
Die erste PV-Anlage ist zu klein, garantiert!
Ich kenne kaum einen Betreiber einer PV-Anlage, der nicht den Wunsch nach einer größeren Anlage verspürt.
Warum mehr?
Eigenen Strom zu produzieren, ist cool. Es macht Spass, zu sehen, wie man Stunden, Tage, Wochen oder gar Monate komplett unabhängig vom Netzstrom leben kann.
Und je länger man die Phasen ausdehnen kann, desto mehr Spass macht es.
Netzbezug
Ok, vollkommen unabhängig ist man auch mit der dicksten Anlage nicht (außer, man betreibt sie grundsätzlich im Inselbetrieb), da man immer ein kleines bisschen Regelenergie benötigt. Schaltet man die Kaffeemaschine oder den Toaster ein, braucht der Wechselrichter (je nach Modell) ein paar Millisekunden oder auch ein paar Sekunden, um die benötigte Leistung zu liefern. Die Differenz liefert in der Zeit das Netz.
Theoretisch ginge es auch ohne – aber das würde exorbitant teure Installationen erfordern, die sich niemals lohnen würden.
Lohnt sich mehr?
Jein. Mit der Einspeisevergütung, die es ab 2025 für Neuanlagen vermutlich nicht mehr gibt, kann man das durchrechnen und wird vermutlich noch geradeso auf einen break even kommen. Die Erhöhung des Eigenverbrauchs und die Senkung des Netzbezuges ist so gering, dass es ökonomisch nicht relevant ist.
Ab 2025 kann man wohl generell sagen: Ökonomisch lohnt es sich nicht, deutlich mehr aufs Dach zu packen, als wirklich benötigt wird. Leider.
Recap Südseite
Nach einem Jahr mit PV von der Südseite mit 12,6 kWp sind wir bei einem Autarkiegrad von >70% gelandet und haben bei einem Gesamtstromverbrauch von gut 12 MWh insgesamt 14 MWh produziert. Rechnerisch war unser Haus also bereits ein “Positivenergiehaus” geworden.
Die Nordseite
Aber ich wollte mehr. Nicht vorwiegend aus ökonomischen Gründen, sondern um unabhängiger vom Netzbezug zu werden. Ursprünglich war geplant, das Dach der inzwischen fertiggestellten Garage mit 8 kWp zu bestücken. Aber es ließ sich ums Verrecken kein Solateur finden, der das zu erträglichen Kosten selbst machen würde.
Und da geplant war, das über KfW442 zu finanzieren (knapp 9000 € Förderung machen auch die Nordseite attraktiv), war auch meine Frau recht schnell überzeugt.
Kampf der Hersteller
Die Anlage auf der Südseite wurde mit einem Wechselrichter und Speicher von AlphaESS aufgebaut. Nicht der günstigste, aber er tut seinen Job. Für die Nordseite sollte aber etwas ökonomischeres zum Einsatz kommen. Und da KfW442 sinnloserweise eine dedizierte Anlage mit Speicher vorgeschrieben hat, war auch klar, dass das zu einem Problem werden wird. Zumindest, wenn die Wechselrichter nicht miteinander kommunizieren können, was aber leider zu erwarten war.
Der Solateur war nur mit einem zusätzlichen Passus, der versicherte, dass er nicht dafür verantwortlich ist, wenn die Wechselrichter die Batterien wechselseitig entladen, dazu bereit, die Anlage aufzustellen.
Und natürlich der Solateur damit auch recht!
Wechselseitige Entladung vermeiden
Aber ich war vorbereitet. Mir war klar, dass ich dort gegensteuern muss und ich wusste auch wie.
Das Zauberwort heißt “Modbus”. Da ich mit meiner Wärmepumpe schon Erfahrungen mit der Steuerung gesammelt hatte, war ich zuversichtlich, dass ich auf die Weise auch die Wechselrichter werde zähmen können.
Nach einigen Versuchen gelang mir das dann auch Stück für Stück. Ich habe die Steuerung über HomeAssistant realisiert. Zwei Automatisierungen kümmern sich darum, dass die jeweiligen Wechselrichter sich so verhalten, wie ich es gern hätte.
Die finale Automatisierungen tun (vereinfacht) folgendes: 1. Wenn nicht genügend Sonne vom Dach kommt, entlade die Batterien sequentiell (erst Sungrow, dann AlphaESS). 2. Wenn die Wallbox aktiv ist oder die Batterie der Sungrow über 6 kW liefern muss, schalte die Alpha dazu. 3. Schalte die Sungrow komplett aus, wenn die Batterie leer ist und keine PV-Produktion stattfindet.
Die komplette Automatisierung ist weit komplexer und befindet sich immer noch im Finetuning, um edge cases abzufangen. Aber zu 98% tut sie exakt das, was sie tun soll: Wechselseitiges Laden verhindern.
Sungrow
Für die Nordseite fiel die Wahl auf Sungrow als Hersteller für Wechselrichter und Batterie. Ein Grund war natürlich der Preis. Sungrow ist relativ günstig. Ein weiterer war der Solateur, der natürlich mit dem Hersteller vertraut sein muss. Und ein dritter war die Option, den Speicher einfach nachrüsten zu können.
Technische Daten
Die Dimensionen waren schnell klar: Nordseite vollmachen und den Speicher so dimensionieren, dass die Förderung (nahezu) maximal ausgenutzt wird. Entsprechend wurden es auf dem Dach 11,48 kWp (10 kWp waren förderfähig) und in der Garage landete ein Speicher mit 9,6 kWh (10 kWh wären förderfähig gewesen).
Elvi
Zusätzlich musste ich noch eine Wallbox installieren (Vorschrift der KfW442-Richtlinien). Hier habe ich den einzigen großen Fehler gemacht und mir eine EVbox Elvi geholt. Bis heute habe ich es nicht geschafft, diese stabil mit evcc zum laufen zu bringen. Auch der Support ist nutzlos, da er nur dann hilft, wenn man die Wallbox mit dem Backend von EVbox nutzt. Wer sie mit OCPP in die Heimautomatisierung einbinden will, ist auf sich gestellt. Nun gut, formell ist sie angeschlossen, funktioniert für sich allein (ohne Automatisierung) auch und ist offiziell angemeldet, so dass die Förderrichtlinien von KfW442 eingehalten werden.
Aktueller Stand
Anfang Dezember ist das erste Jahr mit beiden PV-Anlagen zusammen nun bald rum (Inbetriebnahme war im Februar) und es zeichnet sich ab, dass wir den Autarkiegrad auf gut 80 % steigern konnten. Das ist etwas weniger als rechnersich möglich, weil zwei Effekte dagegen arbeiten: 1. Letztes Jahr war ich (gerade im Winter) sehr häufig beim Baumarkt und habe das Auto während des Einkaufs dort geladen. Das hat den Stromverbrauch zu Hause natürlich künstlich gesenkt und den Autarkiegrad erhöht. 2. Die Einstellungen für die Ladung und Entladung der Batterien sind erst seit ein paar Wochen in einem Zustand, den ich als “gut” bezeichnen würde.
Realistisch ist vermutlich ein Autarkiegrad von 82-85 % erreichbar, wenn alles ideal funktioniert.
Im nächsten Teil werde ich mich mit dem Thema “100 % Autarkie” beschäftigen.